26.-27. Juni 2017 Internationale Konferenz “The Crisis of Representation”
26.-27. Juni 2017 Internationale Konferenz “The Crisis of Representation”
Von 26. bis 27. Juni 2017 fand die internationale Konferenz „The Crisis of Representation. Neoliberalism, Ethnonationalism, Religious Conservativism and the Crisis of Representation in Politics, Religion and Culture – an Interdisciplinary Conference” statt. Die Konferenz mit sechs Vortragenden von der Universität Wien und Wissenschaftlern aus den USA, Großbritannien, Italien, Belgien und Deutschland wurde von der Forschungsplattform RaT organisiert und im Stift Melk abgehalten Die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem breiten Thema einer Krise der Repräsentation in unterschiedlichen Bereichen von Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Religion und Kultur wurde durch eine Zusammenarbeit der Forschungsplattform RaT mit dem US-amerikanischen Philosophen Carl Raschke von der Universität Denver ins Leben gerufen.
Die Konferenz stellte die Frage nach den Gründen und der Bedeutung gegenwärtiger Krisen von Repräsentationssystemen sowie nach geeigneten Analysekategorien um die Balance und den Zusammenbruch dieser Systeme zu reflektieren. Die Krise der repräsentativen Demokratie durch das Phänomen eines Ethnonationalismus wurde durch Hans Schelkshorns Analyse der ideologischen Matrix neuer rechter Parteien und deren Instrumentalisierung eines Zerrbildes christlicher Identität behandelt. Im Kontext des Politischen wurde von Oliver Marchart zugleich die aufgezeigte Unmöglichkeit einer totalen Repräsentation mit dem Konzept einer negativen Repräsentation konfrontiert. Die Thesen wurden in Zusammenhang mit dem komplexen und eigentümlichen Repräsentationssystem Bosniens veranschaulicht. Die Idee der Suspendierung der Souveränität in der Demokratie wurde zum Gedanken einer Ethik der Demokratie weiterentwickelt. Von Philip Goodchild wurde die Thematik ökonomischer Krisen und deren Verbindung mit einem umfassenden und systematischen Verlust an Glauben im globalen Kapitalismus aufgeworfen. Goodchild gelang es, die Zukunftserwartung als strukturelle Analogie zwischen einem funktionierenden Kapitalismus und dem Glauben herauszustellen. Hierbei wurde der Blick auf die Bedeutung der Religionen für ein Durchbrechen des selbstzerstörerischen kapitalistischen Zirkels der Angst durch die erneute Etablierung des Glaubens an den Glauben (faith of faith) sowie des Glaubens an zukünftiges Wohl geworfen. Die Transformation von Religion durch die Globalisierung wurde außerdem von Olivier Roy mit dem Phänomen einer Krise des Konzeptes von Kultur verbunden. Die Normierung von Leben und die damit einhergehende Ersetzung aller impliziten Gehalte von Religion und Kultur durch explizite Regeln charakterisieren Fundamentalismen und führen zu einer Krise der Kultur als solcher und zur Notwendigkeit, die Relation von Religion und Kultur erneut zu befragen. Das Verständnis der Krise der Repräsentation wurde besonders von Kurt Appel und Marcello Neri um die Facette der Krise des öffentlichen Raums – als einer der zentralsten Errugenschaften der Moderne – erweitert. Zwei Phänomene – das einer Privatisierung des öffentlichen Raums durch seine Ökonomisierung und das einer Öffentlichmachung des Privaten – wurden als Grund für die Gefahren einer Annihilierung von Identität und einer absolut gesetzten Virtualiserung herausgearbeitet. Angesichts dieser Gefahr ist das Projekt Europas zugleich vor die Chance einer neuen Vision des Zusammenlebens von Christentum, Islam und säkularer Welt in einem gemeinsamen öffentlichen Raum gestellt. Die Potentiale der Religionen für eine neue Ordnung des öffentlichen Raums wurden in Hinblick auf eine Kultur des Affektiven und der Anerkennung von Verletzbarkeit gesehen. Darüber hinaus wurden Religion als ein Gegengewicht zum Ausschluss der Toten aus dem öffentlichen Raum hervorgehoben. Marcello Neri legte in einer anderen Hinsicht auf die Krise des öffentlichen Raums einen Schwerpunkt auf die Möglichkeiten neuer performativer Weisen der Repräsentation jenseits seiner Funktion der hierarchisch strukturierten Subjektivierung und wies dabei besonders auf die Potentiale der Kunst hin. Darüber hinaus konnte von Rüdiger Lohlker der konkrete Fall einer Repräsentation ohne Repräsentation an der Politik Saudi Arabiens und des saudischen Wahhabismus dargestellt und als wichtiges Phänomen der Globalisierung erörtert werden. Lohlker untersuchte dabei spezielle Techniken der Kriegsführung und stellte die Frage, welche Repräsentationsformen – gerade in Bezug auf die Rolle der Zivilbevölkerung eines Landes – in diesen am Werk sind. Der Zusammenhang von Repräsentation, Medien und Virtualisierung wurde von Carl Raschke wieder aufgenommen. Ausgehend von Agambens These einer Ersetzung der Rolle der Herrlichkeit (glory) als Funktionsweise der Souveränität durch die Medien im 21. Jahrhundert wurde eine Theorie der Medien entfaltet, die den Begriff des Kitsches (tawdry) einführte. Die Krise der Repräsentation durch die gesteigerte und entkoppelte Virtualisierung der Gegenwart warf die Frage nach neuen Weisen der Souveränität jenseits der Repräsentation und ihrer Außerkraftsetzung auf. Weiters führte Peter Zeillinger durch eine Reflexion auf das biblische Exodus-Motiv den Gedanken der Repräsentation einer Leerstelle ein, der seine drängende Aktualität in dem ereignishaften Bruch der Repräsentationsweise von souveräner Macht hat. Abschließend wurden die Beiträge des Kongresses von Daniel Minch, Joshua Ramos und Roger Green zusammengefasst und Perspektiven auf noch offen gebliebene Seiten der Thematik „The Crisis of Representation“ geworfen, wobei eine politische Theologie der Ökonomie und eine philosophische Analyse des Neoliberalismus unumgänglich erschienen.