17.06.2015: Gastvortrag von Dennis Beach OSB "The Subject's Tragic Responsibility: Between Heidegger and Lévinas"
Dennis Beach ist Professor für Philosophie an der Sant John's University in Minnesota
Der Vortrag antwortete auf ein intellektuelles Phänomen unserer Zeit: Die Verbindung von positivistischem Szientismus und einem populärem Verständnis der postmodernen Philosophie habe nicht nur zum Verdacht gegenüber dem traditionellen Konzept der Subjektivität geführt, sondern auch zur Reduktion des Menschen auf eine Maschine, die mit der Gestalt des Zombies die Abwesenheit jeglichen inneren Lebens teile. Der einseitigen Eliminierung des Subjekts stellte Beach eine Auseinandersetzung mit Heidegger und Lévinas gegenüber und verband beide durch den Gedanken eines tragischen Subjekts, das mit einer unentrinnbaren Ambiguität konfrontiert sei. Diese Ambiguität, die ein leitendes Motiv des Vortrages war, stellte sich zunächst in der von Heidegger (durch Hölderlin) bedachten Nähe zwischen Gefahr und Rettung dar.
Die Rolle des Subjekts bei Heidegger fasste Beach als die eines Tyrannen, der zugleich tyrannisiert wird. Denn während sich der Mensch als Subjekt in tyrannischer Machenschaft das Seiende unterwürfe, bleibe er inmitten dieser gefährlichen Situation zugleich dem Geschick des Seins (als Gestell) unterstellt (subjected), wodurch er auf das Sein als Unverborgenheit abgestimmt bleibe. Der Mensch, der sich zum Herrn des Seins aufschwingt, erfahre in allem nur die Objektivation seiner selbst, während ihm die Begegnung mit seinem wahren Selbst versagt sei.
Darin gleiche er dem ferngesteuerten Zombie, der als wandelnder Toter eines inneren, lebendigen Selbsts entbehre. Es sei allein das Vermögen des Menschen sich selbst infrage stellen zu lassen, das jene alles bestellende und herausfordernde Subjektivität aufbräche und somit den Blick für die tragische Ambiguität zwischen Gefahr und Rettung erst eröffnen könne.In einer unentrinnbaren double-bind-Situationsah Beach das zentrale Merkmal des Menschen in der antiken Tragödie, wofür er zwei Beispiele nannte: Antigone, die unausweichlich zwischen göttlichem und menschlichem Gesetz steht, und Ödipus als den Rätsellöser, der sich selbst zum unlösbaren Rätsel wird. Die Figur des Ödipus ergab sich für Beach dabei als Kulminationspunkt tragischer Ambiguität, die sein Verständnis des Subjekts bei Heidegger illustrierte.Mit Lévinas fragte Beach schließlich, ob der Mensch in dieser tragischen Situation unter einem neu verstandenen Konzept der ethischen Subjektivität gedacht werden kann. Subjektivität wurde in Anschluss an Lévinas als Verantwortung gegenüber dem Anderen gedacht, dessen Antlitz das Selbst vor jeder Frage nach dem Sein infrage stellt und es unterbricht.
In der ethischen Verpflichtung, zum Stellvertreter des Anderen zu werden, sei das Selbst unvertretbar und vor jedem willentlichen Akt in die unabweisbare Verantwortung gegenüber dem Anderen gerufen. Auch diese andere ethische Subjektivität entpuppte sich für Beach als eine tragische, weil die Verantwortung gegenüber dem Anderen nie erfüllt, sondern zu einer mit jedem Schritt gesteigerten Verantwortung würde. Letztlich stellte das von der ethischen Verantwortung aus gedachte Subjekt für Beach sowohl eine Alternative zu Heideggers Subjekt-Kritik als auch zur naiven Eliminierung des Subjekts dar.
Text von Daniel Kuran